KLIMAWANDEL "Noch lässt sich das Schlimmste abwenden" - Kölner Stadt-Anzeiger vom 16.02.2011
Behörden schlagen Alarm - Treibhausgase müssten reduziert und Katastrophenschutz verbessert werden


Berlin. Die Hase war jahrhundertelang ein kleiner, unbedeutender Nebenfluss der Ems, der sich still und unauffällig durch Niedersachsen zog. Der Stadt Osnabrück etwa, die an ihren Ufern liegt, hat die Hase nie Probleme bereitet. Bis zum vorigen Sommer: Ende August 2010 schiebt das Tiefdruckgebiet Cathleen extremen Regen über Nordwestdeutschland, dass selbst die kleine Hase für nie gesehene Überflutungen und sogar Katastrophenalarm in Osnabrück sorgt. Wegen des massiven Regens steht die ganze Region kopf: "Gesperrte Autobahnen, überschwemmte Bahnlinien, zerstörte Häuser" melden die Nachrichten, "Feuerwehr im Dauereinsatz".

"Natürlich mag das vergangene Jahr mit seinen vielen Extremwetter-Ereignissen ein Ausreißer gewesen sein", sagt Christoph Unger, der Präsident des Bundesamtes für Katastrophenhilfe. "Aber genau diese Extreme werden sich ab Mitte dieses Jahrhunderts enorm häufen." Die Folgen des bereits voranschreitenden Klimawandels werden auch Deutschland bereits in 30 bis 40 Jahren treffen, zuerst durch extreme Regen- und Schneefälle.

Unger weiß das so genau, weil seine Behörde mit dem Umweltbundesamt, dem Deutschen Wetterdienst und dem Technischen Hilfswerk seit vier Jahren daran arbeitet, die Folgen des Klimawandels zu berechnen, Schäden und Gefahren zu prognostizieren und Vorkehrungen dafür zu treffen. Am gestrigen Dienstag traten die Chefs der vier Institutionen erstmals gemeinsam in Berlin auf, um ihre Schadensprognose für Deutschland vorzustellen. Sie kamen mit guten und mit schlechten Nachrichten.

Zuerst die schlechte: Dass sich das Klima schon jetzt immer stärker verändert, ist auch durch verstärkten Klimaschutz nicht mehr aufzuhalten. Das sagte der Präsident des Umweltbundesamtes, Jochen Flasbarth, der aber betonte: Noch lasse sich das Schlimmste abwenden, wenn die Menschheit es schaffe, ihren Treibhausgas-Ausstoß zu reduzieren. Er finde es befremdlich, wenn über die Kosten des Klimaschutzes debattiert werde, obwohl absehbar sei, dass die Folgekosten durch Klimaschäden viel höher ausfallen würden.

Während heute im Schnitt an jedem 100. Tag mit starken Niederschlägen gerechnet werden müsse, verringere sich der Abstand bis zum Jahr 2100 auf 66 Tage, sagte der Vizepräsident des Deutschen Wetterdienstes, Paul Becker. In küstennahen Gebieten könnte sich die Anzahl extremer Niederschläge - verglichen mit dem Zeitraum 1960 bis 2000 - verdoppeln, im Flachland um die Hälfte zunehmen. Vor allem im Winter werde es öfter stärkere Niederschläge geben, je nach Temperatur als wolkenbruchartiger Regen oder als heftige Schneefälle. Auch darauf gaben die vergangenen beiden Winter einen Vorgeschmack. Für die Sommer zeigten zwei der Modelle den Trend, dass es insgesamt heißer wird. Aber wenn es im Sommer doch mal regnet, "dann wolkenbruchartig".

Doch die vier Experten hatten auch eine gute Nachricht: Es ist noch nicht zu spät, sich zu wappnen. Allerdings müsse wirklich jeder schnell anpacken: Bund, Land, Kommunen - und jeder Einzelne. Katastrophenschutz-Chef Unger und der oberste Einsatzleiter des Technischen Hilfswerks (THW), Volker Strotmann, schlugen Alarm wegen des Personalmangels beim Katastrophenschutz. Während das Ende der Wehrpflicht und der demografische Wandel bewirkten, dass immer weniger junge Menschen bei Feuerwehr oder THW arbeiten, steige schon jetzt der Bedarf.

So fielen 2010 durch Wetterereignisse mit 846 000 Einsatzstunden doppelt so viele an wie 2009. Zum Katastrophenschutz gehöre auch: In Fluss-Auen sollten keine Häuser mehr gebaut und keine Felder mehr angelegt werden. Kommunen müssten ihr Baurecht schnell ändern, wenn das noch erlaubt ist.