Die Interessen der Bürger sind untergeordnet - 2 Leserbriefe im Kölner Stadt-Anzeiger von heute, S. 36
LEHMBACH-NORD Zur Diskussion um den geplanten Ausbau des Gewerbegebietes in Rösrath
Erhöhtes Risiko
Gewerbegebiet Lehmbach-Nord: Unnötig, risikoreich, aber schon entschieden? In erster Linie mit der Sicherung der Arbeitsplätze der Firma Paja wird auf den Webseiten der Stadt Rösrath der Bebauungsplan 89 begründet, mit dem das Gewerbegebiet Lehmbach-Nord weiter ausgebaut werden soll. Seit Jahren bereits existiert der rechtskräftige Bebauungsplan 55, der für den Bedarf der jetzt Insolvenz anmeldenden Firma Paja nach eigenem Bekunden völlig ausreicht.
Am 24. Januar soll der Planungsausschuss über die Offenlegung des Plans beschließen; einige Politiker wollen den Beschluss weiter verschieben. SPD, Grüne (!) und FDP dagegen wollen das Verfahren durchziehen mit der Begründung, dass die Stadt neue Gewerbeflächen brauche. Wirklich? Kommen wir zu den Fakten:
Kann die Stadt Rösrath keine Gewerbegebiete anbieten?
1. Die Stadt Rösrath verfügt über 505 000 Quadratmeter Gewerbefläche und Mischgebiet, davon sind ohne die Erweiterung von Lehmbach-Nord schon jetzt 66.400 qm erschlossen und sofort verfügbar Dazu gehört ein über 10 000 Quadratmeter großes Gewerbegrundstück im Gewerbepark Scharrenbroich (GK 2809).
2. Hinzu kommen die bereits genutzten Flächen, die potenziellen Investoren angeboten werden, z.B. die seit Jahren leer stehenden Verwaltungsgebäude der Firma Reusch mit Lager- und Produktionshalle (GK 2825), die jetzt vor der Zwangsversteigerung stehen sollen, oder die teilweise nicht vermieteten Bürogebäude der ehemaligen Firma Infoplan (GK 2307) - dieses Grundstück ist mit weiteren Bürogebäuden bebaubar.
3. Während man sich in anderen deutschen Gemeinden und Städten ernsthaft mit der Wiedernutzung früherer Gewerbeflächen und mit dem Rückbau beschäftigt, soll die Stadt Rösrath aber weiter Fläche verbrauchen. Derselbe Makler, der auf dem Großteil der verfügbaren Gewerbeflächen sitzt, will nämlich unbedingt die Erweiterung des Gewerbegebietes Lehmbach-Nord haben, weil er neue Flächen besser vermarkten kann.
Selbst wenn man neue Gewerbeflächen wirklich brauchen würde, wäre die Erweiterung von Lehmbach-Nord wegen der ökologischen Risiken und der Hochwassergefahr eine schlechte Wahl. Seit 28 Jahren wohne ich in Rösrath und beobachte, dass in dieser gesamten Zeit immer weitere Flächen im Sülztal für Wohn- und Gewerbegebiete vereinnahmt wurden. Die Folgen hat man Mitte November nach einem Starkregen in der Jahnstraße und der Bergischen Landstraße zu spüren bekommen - und dies war noch kein Hochwasser!
Wird wie vorgesehen das Gewerbegebiet Lehmbach-Nord erweitert und dieses Gebiet aufgeschüttet und verdichtet bis auf Straßenniveau, dann wird das in Zukunft sowieso steigende Hochwasserrisiko nochmals leichtfertig erhöht. Davon wären auch die bereits ansässigen Firmen im Gewerbegebiet wie Remshagen, Kellershohn, Paja und andere betroffen. Ausgleichsmaßnahmen sind bisher nur vage versprochen, aber nie konkretisiert worden. Ausgleichsmaßnahmen aber konservieren bestenfalls den gegenwärtigen Zustand; dabei ist absehbar, dass in Zukunft in die Vorsorge gegen die wachsende Hochwassergefahr mehr investiert werden muss.
Einigen Kräften in der Stadt kann aber die Durchsetzung des vorgesehenen Bebauungsplans offensichtlich nicht schnell genug gehen: schon bevor der Bebauungsplan offen gelegt, geschweige denn beschlossen ist, wird seit Wochen im Strukturatlas Region Köln-Bonn der IHK (http://www.strukturatlas-region-koeln-bonn.de) die Erweiterung bereits als verfügbare Fläche markiert und fälschlich behauptet, dies sei durch den rechtskräftigen Bebauungsplan 55 abgesichert. Als Ansprechpartner genannt wird der Beigeordnete. Sieht so ein ergebnisoffenes und rechtsstaatliches Verfahren aus?
KLAUS HASBRON-BLUME, RÖSRATH
Keine Zahlen
Nach mir die Sintflut! In Rösrath erhält dieses Wort eine besondere Brisanz. Im Sülztal der Fluss an der Oberkante der Böschung, teilweise darüber, Menschen in Angst, zwischen Lehmbach und Untereschbach eine idyllische Seenlandschaft. Dennoch wiederholen der Bürgermeister, die Spitzen der Verwaltung und alle Parteien bis auf eine Ausnahme, nämlich der BfR: Wir brauchen das Gewerbegebiet in Lehmbach-Nord. Die künftige Fläche für "produzierendes Gewerbe" in Lehmbach-Nord soll ja um zwei Meter aufgeschüttet und verdichtet werden, damit die Gewerbetreibenden dort trockene Füße behalten.
Liebe Nachbarn und Sülztalbewohner: Wo läuft denn dann diese trübe Sülzbrühe, die bisher noch in Lehmbach auf der "Wiese" steht, noch schneller hin? Natürlich, in Ihre Gärten, Keller und Wohnzimmer. Aber die Interessen der Bürger sind untergeordnet, denn die Stadt schafft neue Arbeitsplätze und nimmt Gewerbesteuer ein. Wird sie das? Bisher ist es noch nicht gelungen, hier Zahlen zu erhalten. Weder in der Presse noch in Gesprächen mit Verantwortlichen war zu erfahren, wie viel zusätzliche Einnahmen erwartet werden.
Und die Arbeits- und Ausbildungsplätze, die vielleicht hier entstehen oder gesichert werden? Auch hierzu keine Zahlen. Warum sollen wir dann ohne Zahlenmaterial glauben, dass Lehmbach-Nord gut für uns ist? Gewerbesteuer Arbeitsplätze - unklar, Zunahme des LKW-Verkehrs sicher, Emissionen sicher (Feinstaub, Müll, Lärm . . .), Nebel und Gestank im Sülztal wahrscheinlich, da 12 bis 16 Meter hohe Bauten (dies entspricht einem Wohnhaus mit vier bis sechs Stockwerken) auf die Luftzirkulation einwirken, Verschärfung der Hochwasserproblematik sicher.
Haben Sie auch schon darüber nachgedacht, ob sie noch weiter in einem Ort mit produzierendem Gewerbe, sprich Industrie, leben wollen, oder denken sie vielleicht schon daran, wegzuziehen? Wie viel Einkommenssteuer dann für die Stadt verloren geht und wie viele Läden weiter kaputt gehen und keine Steuern mehr zahlen - wer weiß es. Ist aber egal - nach mir die Sintflut. Irgendeiner verdient bestimmt daran.
MONIKA KARAKURT, RÖSRATH