26.01.2011
LEHMBACH-NORD - "Wo wollt ihr mit der Stadt hin?"
Bürger protestieren gegen neue Gewerbeflächen - Politiker kündigen Gesprächsforen an
Kölner Stadt-Anzeiger vom 26.01.2011
Rösrath. "Die Planung stinkt, die Stadt versinkt", war auf einem Transparent vor dem Bürgerforum Hoffnungsthal zu lesen. "Rösrath geht baden", "B-Plan 89 bringt uns auf 180", "Vom Luftkurort zum Industriestandort?", hieß es auf anderen. Die Vielzahl der Losungen war kaum zu überblicken: Rund 200 Bürger protestierten gegen den Bebauungsplan 89, der neue Gewerbeflächen in Lehmbach-Nord vorsieht. Vor dem Bürgerforum herrschte Gedränge, auch ein Trecker stellte sich in den Weg. Anlass für den Protest war die Planungsausschuss-Sitzung, bei der es um den Bebauungsplan ging. Auch im Sitzungssaal meldeten sich die Bürger lautstark zu Wort - mit Zwischenrufen wie "Lüge!" oder "Abwählen!".
Politiker und Verwaltung dagegen traten betont ruhig auf. Sprecher von CDU, SPD, Grünen und FDP machten aber rasch klar, dass sie das Bebauungsplan-Verfahren einleiten wollten. Erhard Füsser (CDU) sprach von einer "recht maßvollen Fläche" und wandte sich gegen die von der Bürgerinitiative Lehmbach-Nord geforderte "Null-Lösung". Jürgen Bachmann (SPD) sagte, die Bürger hätten "berechtigte Interessen" zur Sprache gebracht, und versprach eine "sachgerechte Abwägung". Auch Friedhelm Weiß (Grüne) bedankte sich: Die Bürger hätten das "ganz wichtige" Hochwasserproblem zum Thema gemacht. Am Ja der Grünen zum Verfahren ließ er aber keinen Zweifel: Dieses biete Transparenz und Bürgerbeteiligung. Erik Pregler (FDP) sagte, im Verfahren würden alle Bedenken berücksichtigt, die Demonstranten seien eine - "hervorragend organisierte" - Minderheit.
Hans-Georg Herbig ("Bürger für Rösrath"/BfR) dagegen wollte zunächst kein Bebauungsplan-Verfahren: Wegen gravierender Hochwasserprobleme sei es nicht sinnvoll. Zunächst seien weitere fachliche Stellungnahmen nötig. Der Geologe bezweifelte, dass die geplanten Retentionsflächen ausreichen. Angesichts "regionaler Klimaveränderungen" sei in 20 oder 30 Jahren mit extremerem Hochwasser zu rechnen. 50 Prozent der Sülzaue seien bereits zugebaut. Frank D. Albert von der Ohe (Linke) erinnerte an die Insolvenz des Kunststoffherstellers Paja und wollte erst dann entscheiden, wenn der Bedarf für neue Gewerbeflächen geklärt sei.
Der Ausschuss-Vorsitzende Wolfgang Büscher (CDU) unterbrach die Sitzung mehrfach für Äußerungen der Bürger, die das Bebauungsplan-Verfahren verhindern wollten. "Wo wollt ihr mit der Stadt hin?", fragte Sabine Mundorf. Gewerbe beeinträchtige den Zuzug von Bürgern, die "schöner wohnen" wollten. Hannelore Stolberg äußerte "Misstrauen" gegen die Abwägung der Argumente im Verfahren.
Der Beigeordnete Berthold Kalsbach (SPD) kündigte dagegen zwei öffentliche Gesprächsforen an - zur Verkehrsproblematik und zum Hochwasser. Bezirksregierung, Untere Wasserbehörde und Aggerverband sollten teilnehmen. Die Stadt werde erst danach die Offenlage des Bebauungsplans bekanntgeben. Dieses Zugeständnis beeindruckte die Demonstranten aber nicht. Zwischenrufe wie "Warum haben Sie es so eilig?" blieben unbeantwortet. Unter Lärm und Rufen wie "Wir sind das Volk!" stimmten die Politiker ab - auf Wunsch der BfR geheim; die Linke war nicht stimmberechtigt. Am Ende stand das deutliche Ja zum Bebauungsplan-Verfahren: Zwölf Politiker waren dafür, einer dagegen.
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